IG AFU Bonn

Long Path – Wenn Funkwellen den Umweg lieben


Wellenausbreitung über den langen Weg im Kurzwellen-Amateurfunk

Was ist „Long Path“ überhaupt?

Im Amateurfunk bezeichnet Long Path die Ausbreitung eines Funksignals über den längeren Weg rund um den Globus – also in die entgegengesetzte Richtung zum Short Path. Beispiel: Von Deutschland (DL) nach Australien (VK) beträgt der Short Path etwa 16.000 km über Asien und den Indischen Ozean. Der Long Path hingegen nimmt den „scenic route“ über den Atlantik, Südamerika und den Pazifik – rund 24.000 km.

Warum sollte man das tun? Weil die Ionosphäre manchmal ein launischer Türsteher ist: Sie lässt Signale über den langen Weg klar und kräftig durch, während der kurze Weg im Rauschen erstickt.

Physik – mit einem Augenzwinkern

Die Ionosphäre ist wie ein schlecht gelaunter Barkeeper:

  • Tagsüber serviert sie nur bestimmte Frequenzen (höhere MUF – Maximum Usable Frequency).
  • Nachts schenkt sie tiefere Frequenzen ein.
  • Und manchmal entscheidet sie völlig willkürlich, dass der lange Weg heute „Happy Hour“ hat.

Physikalisch betrachtet spielen hier Faktoren wie Sonnenstand, D-Schicht-Dämpfung, F2-Schicht-Höhe und geomagnetische Aktivität eine Rolle. Beim Long Path kann es sein, dass die Sonne auf der langen Strecke gerade so steht, dass die F2-Schicht optimal reflektiert – während der Short Path im Dämpfungsbereich liegt.

Oder, um es düster zu formulieren: Die Physik ist ein sadistischer Spielleiter, der dir den kürzesten Weg versperrt, nur um dich 8.000 km extra laufen zu lassen.

Woran erkennt man eine Long-Path-Verbindung?

  • Signalrichtung: Mit einer drehbaren Richtantenne fällt auf, dass das stärkste Signal aus der entgegengesetztenRichtung kommt.
  • Echo-Effekt: Manchmal hört man ein leichtes Doppel – das Signal kommt gleichzeitig über Short und Long Path an, mit einer Verzögerung von ca. 0,2–0,3 Sekunden.
  • Tageszeit: Long Path nach VK ist oft am frühen Morgen in DL möglich (z. B. 06:30–08:00 UTC auf 20 m).

Beispiele aus der Praxis – Amateurfunk & Kurzwellenradio

Amateurfunk (VK-Stationen)

  • 20 m-Band (14,195 MHz): Morgens in DL, VK-Stationen oft lauter über Long Path.
  • 17 m-Band (18,130 MHz): Spätnachmittags Long Path nach Südamerika, dann weiter nach VK.

Kurzwellenrundfunk

  • Radio New Zealand International: 7,345 MHz – gelegentlich über Long Path in Europa hörbar, besonders in den frühen Morgenstunden.
  • ABC Radio Australia (historisch, heute nur noch sporadisch aktiv): 9,580 MHz – Long Path-Signale mit leichtem Echo.

Warum hört man VK manchmal nur über Long Path?

  • Short Path im Dunkeln: Der direkte Weg liegt komplett in der Nachtzone, die Dämpfung ist hoch.
  • Long Path im Sonnenlicht: Die lange Strecke hat mehrere optimal beleuchtete F2-Reflexionen.
  • Geomagnetische Störungen: Der Short Path führt über polare Regionen, die bei Aurora-Aktivität stark dämpfen.

Hörbeispiele (theoretische Szenarien)

  • 18,130 MHz Long Path: VK3XYZ mit S9+10 dB, klar und ohne Fading.
  • 18,130 MHz Short Path: Gleiche Station, kaum lesbar, S3 mit starkem QSB.
  • 7,345 MHz RNZI Long Path: Musik mit leichtem Echo, dumpfer Bass durch Mehrfachreflexion.

Merke: Long Path ist kein exotischer Mythos – er ist ein Werkzeug im Koffer jedes ernsthaften DXers. Wer ihn ignoriert, verpasst halbe Kontinente.