Ein technischer Leitfaden mit einem Augenzwinkern ins Abgrundtiefe
Einleitung
Die Rhombusantenne ist so etwas wie der Dinosaurier unter den Richtantennen: groß, majestätisch, beeindruckend – und in freier Wildbahn selten anzutreffen, weil sie schlichtweg viel Platz frisst. Wer sie baut, sendet nicht nur Signale, sondern auch eine klare Botschaft an die Nachbarschaft: „Ich habe entweder sehr viel Land oder sehr tolerante Mitmenschen.“
Trotzdem – oder gerade deswegen – ist sie für den ambitionierten Funkamateur ein faszinierendes Projekt. Ihre physikalischen Eigenschaften machen sie zu einer der effizientesten Drahtantennen überhaupt, wenn man ihr den nötigen Raum gönnt.
Physik der Rhombusantenne
Die Rhombusantenne ist im Kern eine lange, in Rautenform gespannte Drahtantenne, die als Traveling-Wave-Antenne arbeitet. Das bedeutet:
- Das Signal läuft entlang des Drahtes und wird am Ende in einen Abschlusswiderstand geschickt, um Reflexionen zu vermeiden.
- Durch die Geometrie und Länge entsteht eine gerichtete Abstrahlung mit hohem Gewinn in Vorzugsrichtung.
- Die Öffnungswinkel der Raute bestimmen den Strahlungswinkel und damit die Richtwirkung.
Wichtige Parameter:
- Länge: Mehrere Wellenlängen auf der Betriebsfrequenz (typisch 4–8 λ).
- Öffnungswinkel: Meist zwischen 60° und 80° für optimalen Gewinn.
- Abschlusswiderstand: Angepasst an die Wellenimpedanz (typisch 600–800 Ω).
Physikalischer Charme:
- Durch die kontinuierliche Wellenführung entstehen kaum stehende Wellen – das Ding ist breitbandig wie ein Rockkonzert ohne Lärmschutz.
- Der Gewinn steigt mit der Länge – theoretisch unbegrenzt, praktisch begrenzt durch Grundstücksgrenzen und Scheidungsanwälte.
Vorteile
- Hoher Gewinn (bis zu 15 dBi und mehr bei großen Längen).
- Breitbandigkeit – deckt mehrere Amateurfunkbänder ohne Umbau ab.
- Geringe Nebenzipfel – sehr saubere Richtcharakteristik.
- Robustheit – keine beweglichen Teile, wetterfest.
Nachteile (oder: Warum nicht jeder eine hat)
- Platzbedarf: Für 20 m-Band schon >100 m Länge, für 80 m-Band reden wir von Grundstücken, die eher in Texas als in Mitteleuropa liegen.
- Materialaufwand: Viel Draht, viele Masten, viel Seil – und ein Abschlusswiderstand, der Leistung in Wärme verwandelt (ja, das tut weh).
- Optische Wirkung: Sieht aus wie ein UFO-Landeplatz – was zu Gesprächen mit neugierigen Behörden führen kann.
Einsatz auf verschiedenen Bändern
Band | Realisierbarkeit | Bemerkung |
---|---|---|
10 m – 20 m | Sehr gut | Gewinn und Richtwirkung hervorragend, Platzbedarf noch machbar. |
30 m – 40 m | Grenzwertig | Grundstück muss groß sein, aber technisch lohnend. |
80 m – 160 m | Praktisch unmöglich | Nur für Landbesitzer mit eigenem Wald oder stillgelegtem Flugplatz. |
Tipps für den Nachbau
- Planung ist alles – Antennensimulation (z. B. mit 4NEC2) spart Frust.
- Höhe zählt – mindestens λ/2 über Grund für optimale Abstrahlung.
- Abschlusswiderstand – Hochlastwiderstände (z. B. 600 Ω, 200 W) in wetterfester Box.
- Speisung – Symmetrische Speisung über Balun (z. B. 9:1) oder direkt mit passender Leitung.
- Mechanik – Masten aus GFK oder Holz, Draht aus Kupferlitze oder Edelstahl.
- Testen – Erst mit niedriger Leistung prüfen, bevor man den Endstufen-Overkill zündet.
Historischer Exkurs
Die Rhombusantenne wurde in den 1930er-Jahren von Harold H. Beverage und Kollegen entwickelt – ursprünglich für Kurzwellen-Richtfunkstrecken über Kontinente hinweg.
- Einsatz bei Militär und Rundfunkdiensten während des Zweiten Weltkriegs.
- Beliebt bei Kurzwellen-Übersee-Richtfunkstationen bis in die 1970er.
- Heute fast nur noch im Amateurfunk oder bei Nostalgikern im Einsatz – eine Art „Steam-Punk“-Antenne für Funker.
Schwarzer Humor zum Schluss
Eine Rhombusantenne ist wie ein Oldtimer mit 12 Zylindern: Sie ist groß, laut (im übertragenen Sinne) und völlig unvernünftig – aber wenn sie läuft, dann läuft sie mit Stil. Und wenn der Nachbar fragt, ob das Ding gefährlich ist, kannst du sagen: „Nur, wenn Sie zufällig ein ionosphärisches Reflexionszentrum sind.“
Fazit
Wer den Platz hat, sollte sich trauen. Eine Rhombusantenne ist kein Alltagsprojekt, sondern ein Statement. Sie ist technisch faszinierend, historisch bedeutsam und liefert Funkerlebnisse, die man mit einem simplen Dipol nie erreicht.