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Follow up: Verlorene Stimmen im Äther – Verlassene Funkanlagen in Deutschlands Lost Places


Es gibt Orte, an denen der Äther selbst Geschichte atmet – oder besser gesagt: röchelt. Einer dieser Orte ist die Field Station Berlin, eine der legendärsten Abhöranlagen des Kalten Krieges.

Field Station Berlin – Das Ohr, das nie schlief

Auf dem Teufelsberg im Berliner Grunewald, der höchsten Erhebung West-Berlins, errichteten die USA (unter Federführung der NSA) ab 1961 eine Abhörstation, die Teil des globalen ECHELON-Netzwerks war. Die Lage war strategisch genial: freie Sicht in alle Richtungen, perfekte Bedingungen für Funkaufklärung – und weit genug weg vom Ostblock, um nicht gleich von der nächsten MiG überflogen zu werden.

Technische Eckdaten

  • Primäre Aufgabe: SIGINT (Signals Intelligence) – Abhören, Aufzeichnen und Analysieren von Funk-, Richtfunk- und Satellitenverbindungen des Warschauer Pakts.
  • Frequenzbereiche:
    • Kurzwelle (HF): 3–30 MHz – militärische und diplomatische Kommunikation.
    • VHF/UHF: 30 MHz–3 GHz – Richtfunkstrecken, Flugfunk, Radar.
    • Satellitenbänder: L- und S-Band (1–4 GHz) für frühe Kommunikationssatelliten.
  • Ausstattung:
    • Mehrere Parabolantennen in Radomen („Golfbälle“) zur wetterunabhängigen Signalaufnahme.
    • Hochselektive Empfänger (z. B. Collins, Racal, Eddystone) mit Quarzstabilisierung.
    • Bandmaschinen und Magnetband-Logger für 24/7-Aufzeichnung.
  • Personal: US Army Security Agency (ASA), später INSCOM, plus britische 26 (UK) Signals Unit.

Betrieb und Alltag

Der Betrieb lief in Schichtsystemen – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Die Funker und Analysten lauschten auf alles, was der Äther hergab: von verschlüsselten Militärmeldungen bis zu banalen Wettermeldungen, die oft mehr verrieten, als den Absendern lieb war.

Die Briten überwachten vor allem den Flugverkehr des Warschauer Pakts, während die Amerikaner sich auf strategische Kommunikation konzentrierten. Angeblich konnte man von hier aus sogar den Funkverkehr zwischen Moskau und sowjetischen U-Booten im Atlantik mithören.

Schwarzer Humor aus dem Radom

Ironischerweise war die Field Station Berlin so geheim, dass jeder Berliner wusste, dass dort „die Amis abhören“. Die riesigen weißen Kuppeln waren im Stadtbild so subtil wie ein Elefant im Porzellanladen.

Und während drinnen hochsensible Datenströme analysiert wurden, kämpften die Techniker draußen mit Berliner Wetter, Rost und Taubenkot – der natürliche Feind jeder Hochfrequenztechnik.

Heute ist die Anlage ein Lost Place, in dem Streetart und Graffiti die Wände zieren, wo früher Kryptospezialisten saßen. Die Radome sind zerrissen, die Antennen verschwunden – und statt Funksignalen hört man nur noch den Wind pfeifen.