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Durchdringungsverluste bei Funkübertragungen

Einleitung

Durchdringungsverluste (engl. penetration losses) beschreiben die zusätzliche Dämpfung, die ein Funksignal erfährt, wenn es Hindernisse wie Wände, Fahrzeugkarosserien oder städtische Fassaden durchqueren muss. Diese Verluste sind stark frequenzabhängig und beeinflussen Reichweite, Datendurchsatz und Verbindungsqualität drahtloser Systeme.

Physikalische Grundlagen der Signalabschwächung

Die gesamte Ausbreitungsdämpfung setzt sich aus Freiraumdämpfung und zusätzlichen Verlusten durch Hindernisse zusammen. Für die Abschätzung direkter Materialdurchdringung wird häufig das Verhältnis der elektrischen Feldstärken vor (E₁) und nach (E₂) dem Hindernis herangezogen:

Lpen=20 log⁡10 ⁣(E1E2)[dB]

Wesentliche Einflussgrößen:

  • Dielektrische Eigenschaften (Permittivität εr, Leitfähigkeit σ, Materialdicke)
  • Frequenzabhängigkeit: Höhere Frequenzen dringen schlechter in dispergierende Medien ein
  • Mehrfachreflektionen innerhalb des Hindernisses

Frequenzabhängige Verluste ausgewählter Baustoffe

Material Frequenz (MHz) Durchdringungsverlust (dB) Dicke (cm)
Gipskarton-Trennwand 900 3–5 12
2400 5–7 12
Ziegelmauerwerk 900 10–12 24
2400 15–18 24
Stahlbetonwand 900 20–25 20
2400 30–35 20
Isolierverglastes Fenster 900 2–4 0.6 (Glas)
2400 6–8 0.6 (Glas)

Durchdringungsverluste in Fahrzeugen

Fahrzeugkarosserien bestehen aus Metall, Glas und Kunststoffen. Typische Werte:

  • 800 MHz: 12–18 dB (Karosserie + Fenster)
  • 1800 MHz: 18–25 dB
  • 2600 MHz: 25–30 dB

Beispiel: Ein Mobilfunkgerät bei 1800 MHz verliert beim Verlassen eines Pkw im urbanen Umfeld etwa 20 dB, bevor das Signal auf freie Strecke trifft.

Urbaner Raum: Zwischen Gebäudezeilen

Im dicht bebauten Stadtgebiet beeinflussen neben Gebäuden auch Fahrzeuge, Vegetation und Straßenmöbel die Gesamtabschwächung. Das ITU-R-Modell P.2108 („Urban Micro“) liefert:

  • Wohnstraße, schmale Gassen: 5–15 dB/km zusätzlich
  • Hauptverkehrsstraße mit dichter Bebauung: 15–30 dB/km
  • Fußgängerverkehrszone: 3–10 dB/km

Diese Werte sind zusätzlich zur Freiraumdämpfung zu betrachten.

Modellierung mit einfacher Frequenzabhängigkeit

Oft verwendet man eine Potenzfunktion für Penetrationsverluste:

Lpen(f)=L0+k⋅fα
  • L₀: Basisverlust bei 1 MHz
  • k, α: material- bzw. umgebungsabhängige Konstanten

Beispiel Ziegelwand: L₀ = 1 dB, k = 0,01, α = 1,0

  • Bei 900 MHz → L ≈ 10 dB
  • Bei 2400 MHz → L ≈ 25 dB

Konkrete Anwendungsbeispiele

  1. Einfamilienhaus, 900 MHz
    • Außenfassade (Ziegel + Putz, 24 cm): 12 dB
    • Innenwand (Gipskarton, 12 cm): 5 dB
    • Gesamt: ≈ 17 dB
  2. Bürowohnung, 2,4 GHz
    • Isolierverglasung Fenster: 8 dB
    • Stahlbeton-Trennwand: 32 dB
    • Gesamt: ≈ 40 dB
  3. PKW-Freisprech, 1,8 GHz
    • Scheibe (Einscheibensicherheitsglas): 6 dB
    • Karosserie‐Durchdringung: 18 dB
    • Gesamt: ≈ 24 dB
  4. Outdoor-to-Indoor, 5 GHz (städtisch)
    • Fassade (Beton + Dämmung): 35 dB
    • Fenster (Metallbeschichtet): 12 dB
    • Gesamt: ≈ 47 dB

Typische Amateurfunkbänder

Amateurfunker nutzen Bänder von der Kurzwelle bis zur Ultrakurzwelle. Die folgenden Richtwerte zeigen Durchdringungsverluste in Ziegelmauerwerk, Stahlbeton und Gipskarton:

Bandbezeichnung Frequenzbereich Ziegelmauerwerk (24 cm) Stahlbeton (20 cm) Gipskarton (12 cm)
160 m 1,8–2,0 MHz 2–4 dB 3–5 dB 1–2 dB
80 m 3,5–4,0 MHz 3–5 dB 4–6 dB 1–2 dB
40 m 7,0–7,2 MHz 4–6 dB 6–8 dB 2–3 dB
20 m 14,0–14,35 MHz 5–7 dB 8–10 dB 2–4 dB
15 m 21,0–21,45 MHz 6–8 dB 10–12 dB 3–5 dB
10 m 28,0–29,7 MHz 8–10 dB 12–15 dB 4–6 dB
2 m 144–146 MHz 10–12 dB 20–25 dB 5–7 dB
70 cm 430–440 MHz 12–15 dB 25–30 dB 6–8 dB

Praxistipps im Amateurfunk:

  • Tieffrequente Bänder (160 m, 80 m) dringen starke Wände gut.
  • Für UKW (2 m, 70 cm) empfiehlt sich eine Außen- oder Dachantenne.
  • Sporadische-E-Ausbreitung auf 10 m/15 m dank moderater Verluste und guter Reichweite.

Einfluss der Frequenz und Praxistipps

Mit steigender Frequenz wachsen Penetrationsverluste nahezu linear bis exponentiell. Für Indoor-Systeme sind Sub-6 GHz-Bänder (z. B. 700–900 MHz) effizienter als 2,4/5 GHz oder mmWave. In Fahrzeugen gleichen Diversity- oder Dachantennen hohe Verluste aus.

Zusammenfassung

Materialstruktur und Frequenz sind die dominierenden Parameter für Durchdringungsverluste. Ein präzises Systemdesign erfordert:

  1. Auswahl geeigneter Frequenzbänder (tiefe Bänder für hohe Penetration)
  2. Kenntnis der Bauweise beim Indoor-Rollout
  3. Einsatz von Antennen-Diversity oder Repeatern zur Kompensation hoher Verluste

Eine genaue Verlustabschätzung optimiert Reichweite, Datendurchsatz und Verbindungsstabilität in komplexen Umgebungen.